2304 22.03.2024

Warum ein Lüftungskonzept wichtig ist

Was müssen Lüftungskonzepte beinhalten und warum sie nicht als lästiges Übel betrachtet werden sollten.

Im vergangenen Winter gelangten wieder viele Personen mit Anfragen bezüglich Kondensat am und im Fenster an uns. Wir haben unter anderem in unseren News Anfang des Jahres darüber berichtet.

Bei der Bearbeitung und Beratung dieser Situationen zeigten sich bezüglich des Themas Lüftungskonzept oftmals drei Dinge:

  1. Den Errichtern / Planern ist sehr wohl bewusst, dass im Kontext der Raumnutzung ein Lüftungskonzept erstellt werden muss, bzw. erstellt werden müsste.
  2. Den Nutzern / Bewohnern der Räume ist oftmals nicht bekannt, dass es für ihre Räumlichkeiten ein Lüftungskonzept gibt, geschweige denn, dass sie unter Umständen eine zentrale Rolle darin einnehmen.
  3. Besonders bei Wohnbauten ohne zentrale Lüftungsanlagen existieren oftmals keine oder nur stark reduzierte Lüftungskonzepte.

Wir nehmen diese Umstände daher zum Anlass, einige Informationen aus der SIA Norm SIA180:2014 (Wärmeschutz, Feuchteschutz und Raumklima in Gebäuden), bzw. aus der entsprechenden Wegleitung SIA 4001 zusammenzufassen.

Ausgangslage und Geltungsbereich der SIA 180:2014

  • Hygiene und Behaglichkeit sind grundlegende, unverzichtbare Anforderungen an alle Gebäude, in denen sich Menschen regelmässig aufhalten. In der SIA 180 ist in diesem Kontext definiert, dass sowohl für Neubauten als auch für Erneuerungen von Gebäuden ein Lüftungskonzept erstellt werden muss.
  • Die Norm SIA 180 gilt für alle Gebäude, bei denen sich infolge des geforderten Raumklimas bauphysikalische Anforderungen an die Gebäudehülle ergeben. Vereinfacht gesagt: Sie gilt für alle von Personen belegten Gebäude. Aber auch unbelegte Räume wie Lager in Kellerräumen können spezielle Anforderungen an die Raumluftfeuchte haben. Auch in diesen Fällen ist die SIA 180 grundsätzlich anwendbar.
  • Bei Neubauten sind die Anforderungen aus der SIA 180 immer einzuhalten. Bei Erneuerungen von bestehenden Bauten können die Anforderungen der SIA 180 oft nicht vollständig eingehalten werden. Erforderliche Massnahmen sind manchmal technisch nicht möglich, wirtschaftlich nicht tragbar, ökologisch nicht sinnvoll (z.B. der Ersatz betriebstüchtiger Anlagen und Bauteile) oder sie entsprechen nicht den Anforderungen des Denkmalschutzes. Das heisst nicht, dass Bauschäden entstehen müssen oder dass das Raumklima im erneuerten Gebäude nicht behaglich ist. Aber die Sicherheitsmargen sind kleiner als in SIA 180 angenommen. Daher muss speziell darauf geachtet werden, dass die notwendigen Betriebsbedingungen (z.B. bezüglich der Lüftung oder der Feuchteproduktion) eingehalten werden. In diesen Fällen wird empfohlen, zwischen dem Planer und dem Bauherrn eine Nutzungsvereinbarung Diese dokumentiert, in welchen Punkten das Gebäude nicht der Norm entspricht und welche besonderen Massnahmen zur Schadenvermeidung und zur Erhöhung der Behaglichkeit zu ergreifen sind.
  • Bei Erneuerungen müssen die Anforderungen an den Wärme- und Feuchteschutz immer als Ganzes betrachtet werden. Punktuelle Verbesserungen bei der einen Anforderung können zu Verschlechterungen bei anderen führen. Beispielsweise führen neue, luftdichte Fenster oft zu Schimmelpilzproblemen, wenn nicht gleichzeitig für eine genügende Lüftung oder für die Beseitigung der Schwachstellen beim winterlichen Wärmeschutz gesorgt wird.
  • Der Wärme- und Feuchteschutz sowie das Lüftungskonzept gehören zum Grundkonzept des Gebäudes und müssen daher bereits in den Vorstudien (Phase 2) und im Vorprojekt (Teil­phase 31) berücksichtigt werden. Das Lüftungskonzept (natürliche oder mechanische Lüftung) muss im Rahmen der Vorstudien bestimmt und im Vorprojekt konkretisiert werden.
  • Unter Ziffer 0.1.6 der SIA 180:2014 werden Vorgaben zum vorausgesetzten Verhalten des Bauherrn und der Benutzer getätigt, welche bei der Entwicklung des Bauvorhabens zu berücksichtigen sind. Daraus folgt, dass der Planer nicht für ein unangemessenes Benutzerverhalten verantwortlich gemacht werden kann. In der Norm ist daher ein «normales» Verhalten beschrieben.

Lüftungskonzept:

  • Ein Lüftungskonzept legt fest, wie die Luftqualität gewährleistet wird.
  • Die Forderung nach einer Beschreibung des Lüftungskonzepts ist in der SIA 180 Ziff. 3.2 und in der Wegleitung SIA 4001 Ziff. 3.3 ausformuliert. Besonders wichtig erscheint uns dabei der Abschnitt 3.2.5: Wird die Lüftung so geplant, dass ausschliesslich die Bewohner durch manuelle Bedienung die Frischluftzufuhr bzw. die Raumluftqualität sicherstellen müssen, ist dies bereits in der Dokumentation zum Bauwerk deutlich zu vermerken und es ist auf mögliche Probleme hinzuweisen. Aus unserer Sicht ist mitunter eines der wichtigsten Probleme, dass die heutige Lebens- und Verhaltensweise der Nutzer eine ausreichende, manuelle Fensterlüftung oftmals nicht zulassen. In einem entsprechenden Lüftungskonzept ist der Nutzerschaft daher aufzuzeigen, bei welcher Belegung (Personen, Tiere, Pflanzen, sonstige Feuchtequellen) in welcher Form (Stosslüften, Querlüften, etc.) und Dauer gelüftet werden muss. Weiter sind Hinweise zur Raumnutzung und zum Nutzerverhalten entscheidend (z.B. Aufstellen von Aquarien, Wäsche trocknen, etc.). Allgemeine Hinweise wie «regelmässiges Lüften» können den Anforderungen an ein Lüftungskonzept nicht gerecht werden.
  • In der SIA 180:2014 sowie in der entsprechenden Wegleitung SIA 4001 wird aufgezeigt, wie ein Lüftungskonzept entwickelt werden kann und was inhaltlich zu berücksichtigen ist. Die entsprechenden Angaben sind in den folgenden Abschnitten zu finden:
    • Für Neubau und Erneuerung unter Ziffer 3.2 der SIA 180:2014 sowie unter den Ziffer 3.3 in der Wegleitung SIA 4001.
    • Unter Ziffer 3.5 der SIA 180:2014, sowie unter Ziffer 3.4 und 3.6 der Wegleitung SIA 4001 ist zudem das Vorgehen zur Ermittlung des minimalen Aussenluft-Volumenstroms beschrieben.

Betrachtet man die entsprechenden Kapitel, wird ersichtlich, dass es für die Erstellung des Lüftungskonzepts unabdingbar ist, sich intensiv mit der vorgesehenen Nutzung, Belegung und Lage des Gebäudes, sowie mit den generellen Bedürfnissen der Bauherrschaft auseinanderzusetzen. Eine entsprechend wichtige Rolle spielt dabei die Kommunikation, bzw. das Abholen und Ergründen der Bauherrenbedürfnisse und das Aufzeigen der Auswirkungen von entsprechenden Entscheidungen. Dies nicht nur monetär, sondern vor allem auch aus Sicht der Technik und Alltagstauglichkeit.

Fazit:

  • Das Lüftungskonzept ist ein wichtiger Eckstein, um eine Feuchteüberlastung von Wohnräumen zu vermeiden.
  • Es bildet die Grundlage der entsprechenden Kommunikation zwischen Bauherrn und Nutzerschaft und muss schriftlich formuliert werden.
  • Ein detailliert ausformuliertes Lüftungskonzept mag die Nutzerschaft im ersten Moment möglicherweise etwas erschrecken. Dies insbesondere, wenn auf ein Konzept mit «natürlicher Fensterlüftung» gesetzt wird. Dennoch sind die Hinweise und deren Umsetzung äusserst wichtig und können bei allen Beteiligten Ärger und Unzufriedenheit vermeiden.

Übrigens:

  • Besonders im Kontext von Holz- und Holz/Metall-Fenstern sind Lüftungskonzepte auch während der Bauphase wichtig. Dies, um die Fenster vor Schäden durch zu hohe Baufeuchte zu schützen. Dafür ist i.d.R. die Bauherrschaft, bzw. deren Bauleitung verantwortlich.
  • In einem Bau-Lüftungskonzept sollte explizit festgehalten werden, wie die Feuchtigkeit laufend überwacht wird und welche Massnahmen bei zu hoher Luftfeuchtigkeit vorgesehen sind. Dabei ist darauf zu achten, dass die manuelle Fensterlüftung während der Bauphase nur bedingt geeignet ist, um die Baufeuchtigkeit ausreichend abzuführen. Zumindest kurzzeitig kann der Einsatz von technischen Geräten notwendig sein.

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