2303 31.03.2023

Absturzsicherung am und mit bodennahen Fenstern

Sogenannt bodennahe Fenster und Fixverglasungen erfreuen sich grosser Beliebtheit. Befinden sich diese in der Fassade (Absturzhöhe > 1 m), müssen Massnahmen zum Personenschutz bzw. zur Absturzsicherung getroffen werden.

Um die notwendigen Massnahmen definieren und planen zu können, muss dabei als Erstes Klarheit bezüglich der zu erwartenden Einwirkungen geschaffen werden. Das heisst, es muss ermittelt werden, ob mit einer dynamischen (Stoss) oder einer statischen Einwirkung (Linienlast) zu rechnen ist, und wie hoch diese Lasten normativ anzusetzen sind. Da dies direkt von der vorgesehenen (aktuellen und zukünftigen) Raumnutzung abhängig ist, benötigen Planer und Unternehmer entsprechende Informationen seitens der Bauherrschaft (i.d.R. aus der Nutzungsvereinbarung).

Anschliessend gibt es drei verschiedene Wege, wie die Massnahmen zum Personenschutz bzw. zur Absturzsicherung umgesetzt werden können.

1) Massnahmen bei öffenbaren Fenstern ohne äussere Geländer

  • Es ist eine Öffnungsbegrenzung vorzusehen, damit die Flügel nur so weit geöffnet werden können, dass eine Kugel mit 12 cm Durchmesser im gesamten Öffnungsbereich nicht hindurch passt.
  • Die Öffnungsbegrenzung darf nicht mit handelsüblichen Werkzeugen entfernt werden können.
  • Das Isolierglas ist gemäss SIA 2057 zu bemessen.
  • Die Verbindung zwischen Glas und Rahmen ist kontrolliert und nachweisbar sicherzustellen.
  • Die Lasteinleitung vom Fensterrahmen ins Tragwerk ist kontrolliert und nachweisbar sicherzustellen.
  • Überlagerungen von Lasteinwirkungen (z.B. Wind- und Linienlast) sind zu berücksichtigen.

Vorteile:

  • Im täglichen Gebrauch ist eine Spaltlüftung (12 cm) möglich.
  • Die Massnahmen können an nur einem Gewerk (Fenster) umgesetzt werden.
  • Die Flügel können unter Beachtung der Arbeitssicherheit (z.B. PSAgA) für Reinigung und Wartung ganz geöffnet werden.

Nachteile:

  • Die Flügel können im täglichen Gebrauch maximal 12 cm geöffnet werden.
  • Die statische Konzeption und das Führen der Nachweise sind komplex und fordern die Fensterbauer.
  • Beschlagskomponenten zur Öffnungsbegrenzung müssen so konzipiert sein, dass diese nur mit speziellem Werkzeug und nur durch geschultes Fachpersonal geöffnet werden können.Es muss zudem sichergestellt werden, dass die Öffnungsbegrenzer anschliessend wieder korrekt montiert, bzw. eingehängt und verriegelt werden.

2) Massnahmen bei Fixverglasungen ohne äussere Geländer

  • Das Isolierglas ist gemäss SIA 2057 zu bemessen.
  • Die Verbindung zwischen Glas und Rahmen ist kontrolliert und nachweisbar sicherzustellen.
  • Die Lasteinleitung in das Tragwerk ist kontrolliert und nachweisbar sicherzustellen.
  • Überlagerungen von Lasteinwirkungen (z.B. Wind und Linienlast) sind zu berücksichtigen.

Vorteile:

  • Die Massnahmen können an nur einem Gewerk (Fenster) umgesetzt werden.
  • Es können grosse Glasflächen ohne störende Geländer umgesetzt werden.

Nachteile:

  • Lüften ist nicht möglich.
  • Die statische Konzeption und das Führen der Nachweise sind komplex und fordern die Fensterbauer.
  • Das Glas muss von aussen gereinigt werden.

Wird ein solches Fensterelement auf Brüstungshöhe (i.d.R. auf 1 m) mittels sogenanntem Kämpfer unterteilt (oben zum Öffnen, unten fix verglast), muss das Brüstungsglas nur die Anforderungen an den Personenschutz (Verletzungsrisiko minimieren) erfüllen. Die Linienlast wird über den Holm bzw. den Kämpfer abgetragen, welcher dann entsprechend dimensioniert werden muss (Vorgaben zu Stossbeanspruchen müssen situativ geprüft werden).

3) Massnahmen mittels äusserer Geländer (französischer Balkon)

  • Das abschrankende Element selbst sowie dessen Anbindung ans Tragwerk müssen geplant und nachweisbar bemessen werden.

Vorteile:

  • Das Einleiten von Kräften ins Tragwerk ist in der Regel einfacher plan- und umsetzbar.
  • Die Fensterflügel können im täglichen Gebrauch sowie zwecks Wartung und Reinigung gänzlich geöffnet werden. (Achtung: Wenn für Reinigungs- oder Wartungsarbeiten ein Hilfsmittel wie Dreitritt, Bockleiter etc. benutzt werden, sind u.U. temporäre Personenschutzmassnahmen notwendig).

Nachteile:

  • Der Planungs- und Koordinationsaufwand kann je nach Fassadensystem etwas höher ausfallen. Dies, da mehrere Gewerke betroffen sind. So kann zum Beispiel die Planung und Ausführung des Abdichtungsanschlusses zwischen Fenster und Fassade durch Halteelemente des Geländers etc. erschwert werden.
  • Die Detaillösungen sind daher unter Umständen etwas aufwendiger.
  • Die Geländer müssen im architektonischen Fassadenkonzept berücksichtigt und abgestimmt werden.

Achtung: Wenn äussere Geländer direkt an den Fensterrahmen befestigt werden, darf dies nur in Absprache mit dem Planer und dem Fensterbauer geschehen. Es müssen verschiedenste Punkte beachtet werden:

  • Ist eine kontrollierte Lasteinleitung in den Fensterrahmen und anschliessend ins Tragwerk möglich?
  • Es müssen unter Umständen zusätzliche Befestigungspunkte zwischen Fensterrahmen und Tragwerk vorgesehen werden.
  • Die Abdichtung von Durchdringungen am Fensterrahmen kann eine Herausforderung sein.
  • Schwimmend am Fenster angebrachte Aluminiumdeckschalen müssen kontrolliert durchdrungen, hinterfüttert und zwängungsfrei abgedichtet werden.
  • Wie kann bei den Schraubenbefestigungen das Eindringen von Feuchtigkeit in den Holzrahmen verhindert werden?

Achtung: Stossbeanspruchungen stellen für die Gesamtkonstruktion eine grosse Herausforderung dar. In diesem Fall sind Pendelschlag geprüfte Systeme (inkl. Anbindung ans Tragwerk) vorzusehen.

Unter Umständen und in Abhängigkeit der Raumnutzung müssen Anforderungen an die Stosssicherheit zudem auch erfüllt werden, wenn aussenseitig ein Geländer montiert wird. Dies, da bei einer Stossbeanspruchung auch beim Vorhandensein eines Geländers keine, bzw. nur bedingt Glas- oder sonstige Splitter des Fensters herunterfallen dürfen.

Haben Sie Fragen bezüglich absturzsichernder Elemente am oder im Bereich der Fenster, oder interessiert Sie, wann eine Stossbeanspruchung berücksichtigt werden muss?

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Unsere Experten stehen Ihnen gerne beratend zur Verfügung.

Weiterführende Informationen zu diesem Thema finden Sie hier: