Herausforderung Deckensenkung bei Fenster- und Türenmontagen
Aus aktuellem Anlass und weil wir vermehrt von unseren Kunden diesbezüglich angesprochen werden, verfassen wir diese Fachinformation.
Planerisch ist mit einer Durchbiegung der Decke oder des Bodens, also einer irreversiblen Verformung des Tragwerks, mit dem sogenannten L/500 zu rechnen; bei Biegeträgern aus Holz gilt ein L/600 der Stützweite (vgl. SIA 260 / 265). Dies bedeutet beispielsweise, dass sich eine Betondecke bei einer Stützweite von 5 m im Gebrauchszustand um 10 mm durchbiegen darf.
Gemäss der für das Bauteil Fenster massgebenden Norm SIA 331:2012 sind planmässige Tragwerksverformungen > 5 mm in der Projektierungsphase zu definieren und in der Konstruktion zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass planmässige Durchbiegungen bis 5 mm keiner besonderen Berücksichtigung bedürfen und vom Fenstereinbausystem (dazu gehören die Befestigung sowie die innere und äussere Abdichtung des Fensters) schadenfrei zu tolerieren sind, dies ohne besondere Vorgaben des Bauherrn oder des Planers. Nüchtern betrachtet kommt man so zum theoretischen Schluss, dass starre Montagesysteme für die Fenstermontage eigentlich nicht oder nur bedingt in Frage kommen. Warum funktioniert es aber in der Praxis oft trotzdem, auch bei Spannweiten von 2,5 m und mehr (L/500 = 5 mm)?
In der Praxis gibt es unseres Erachtens nur deshalb nicht mehr Herausforderungen und Auseinandersetzungen, weil bei Massivbauten der größte Teil (ca. 2/3) der geplanten Deckensetzung kurz nach dem Ausschalen (i.d.R. innerhalb von ca. 2 Wochen) erfolgt. Das bedeutet, dass die effektive Durchbiegung, die nach dem Fenstereinbau auf das Fensterbefestigungssystem wirkt, relativ gering ist, z.B. bei 2,5 m Stützweite ca. 1,5 mm. Verformungen in dieser Grössenordnung haben erfahrungsgemäss nur selten einen unmittelbar spürbaren, negativen Einfluss auf die Funktionalität und Gebrauchstauglichkeit der Fenster.
Bei Holz- bzw. Holz-Hybridkonstruktionen kann sich jedoch die Herausforderung ergeben, dass der überwiegende Teil der Tragwerksdurchbiegungen/-setzungen erst nach der Fenstermontage auftritt (z.B. durch das Einbringen von Unterlagsböden, Eigengewicht der Fensterelemente etc.). In diesen Situationen kommen starre Befestigungen schnell an ihre Grenzen bzw. funktionieren nicht mehr. Dieser Bereich liegt dann, sofern die Verformung nicht mehr als 5 mm beträgt, im Verantwortungsbereich des Fenster- oder Türenbauers.
Wie kann mit dieser Thematik umgegangen werden?
- Bei Holzbauten empfiehlt es sich bereits in der Angebotsphase Rücksprache mit den Planern / Holzbauingenieuren zu nehmen. Möglicherweise ist auch bei einer geplanten Deckensetzung von weniger als 5 mm eine gleitende Montageart (z.B. Winkel- oder Laschenmontage mit Tellerkopfschrauben und Langlöcher) zu wählen.
- Sinnvollerweise sollten die empfohlenen Montagearten durch die Planer definiert und ausgeschrieben werden. Dies macht die Kommunikation zwischen Planer und Unternehmer einfacher und trägt zu einer hohen Ausführungsqualität bei.
- Bei Massivbauten sind bei Stützweiten bis 2.5 m normalerweise keine besonderen Vorkehrungen zu treffen. Bei Stützweiten ab 2.5 m empfiehlt sich jedoch generell eine Winkel- oder Laschenmontage mit Langlöchern und Tellerkopfschrauben o.ä.
- Hebeschiebetüren sollten im Deckenbereich immer nachjustierbar montiert werden. Hierzu existieren bewährte Montagesysteme am Markt.
Im obigen Zusammenhang taucht jedoch ein grosses und meist unbeachtetes Fragezeichen auf. Denn was eine Decke ist, kann ebenso ein Boden sein. Sprich es müssten eigentlich auch Durchbiegungen/Setzungen des Bodens und nicht nur der Decke berücksichtigt werden. Per dato sind unseres Erachtens auf dem Markt keine im grösseren Stil praktikablen Montagesysteme verfügbar, welche eine entsprechende Nachjustierung (z.B. bei Hebeschiebetüren) im unteren Schwellenbereich ermöglichen würden. Dies insbesondere auch aufgrund der Tatsache, dass Hebeschiebetürsysteme häufig in einem Raster von 300 mm bis 450 mm unterbaut werden müssen. Ein nachträgliches, unter Umständen mehrmaliges Nachjustieren der Schwelle ist nicht möglich. Wird dies so (mit Nachjustierung) praktiziert, entstehen oftmals Probleme im Bereich der angrenzenden Abdichtungsanschlüsse und der hohlraumfreien Ausfüllung des sogenannten Funktionsraums, sprich der Bauanschlussfuge.
Fazit: Insbesondere bei Hebeschiebetüren ist darauf zu achten, dass die nach der Montage noch effektiv auftretende Bodendurchbiegung nicht mehr als zwei Millimeter beträgt. Dies ist jedoch ein Erfahrungswert aus unserem Hause. Verschiedene Systemanbieter fordern eine Einbausituation mit lediglich +- 1 mm oder ohne Bodensenkung, was in der Praxis jedoch schwer, bzw. nicht realisierbar ist.
Rechenbeispiel Massivbau:
- Hebeschiebetürbreite 6’000 mm
- L/500 = 12 mm
- Verformung bis zum Einbauzeitpunkt ca. 8 mm
- Verformung nach Einbringen von Hebeschiebetüre, Unterlagsboden und «finalem» Kriechen ca. 4 mm
Lösungsansatz:
Zur Mitte der Hebeschiebetüre hin leicht (max. 2 mm) «überschiften». Einsatz von nachjustierbaren Befestigungsmitteln und entsprechende Abdichtungsauslegung im oberen Bereich.
Rechenbeispiel Holzbau:
- Hebeschiebetürbreite 6’000 mm
- L/600 = 10 mm (Verformungsbegrenzung Biegeträger gem. SIA 265)
- Verformung bis zum Einbauzeitpunkt der Hebeschiebetüre ca. 2 mm
- Verformung nach Einbringen von Unterlagsboden, Hebeschiebetüre und «finalem» Kriechen ca. 8 mm
Lösungsansatz:
Die Verformung sollte durch eine entsprechende Tragwerkverstärkung begrenzt werden. Einsatz von nachjustierbaren Befestigungsmitteln und entsprechende Abdichtungsauslegung im oberen Bereich.
Generelle Hinweise:
- Vorsicht bei Elementen mit Breiten von > 5 m. Diese Situationen sollten detailliert geprüft und allfällige Massnahmen frühzeitig geplant werden.
- Kein Einbau von Fenstern und Türen so lange in den durch die Montage betroffenen Räumen (auch darunter oder darüber) noch Spriessen/Deckenstützen stehen (z.B. aufgrund Nachspriessung).
- Bei der Planung nachjustierbarer Befestigungssysteme sollte ein besonderes Augenmerk auf die inneren und äusseren Abdichtungsanschlüsse sowie auf die hohlraumfreie Fugendämmung und deren Materialisierung gelegt werden.
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